Um’s kurz zu machen: JA, sicher.
Und zugleich: NEIN, auf keinen Fall!
JA, weil meist ein Behinderungsgrad von 50 Prozent zugestanden wird.
NEIN, weil ein Asperger – bzw. „hochfunktionaler Autist“ – meist so gar nicht „schwerbehindert“ erscheint. Mir geht es zumindest so mit meinem Kind.
Was bedeutet das alles? Macht ein Antrag auf einen Behindertenpass überhaupt Sinn – oder ist das ein „Stempel für’s Leben“?
Zwischenruf in eigener Sache:
Liebe Leute!
Willkommen am Familienblog "Muttis Nähkästchen"

Für alle, die uns noch nicht kennen: Hier plaudern Birgit und Christine aus dem Nähkästchen und schreiben über das (Über-)Leben mit Kindern.
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Bei Behinderung denken wir meist an körperlich beeinträchtigte Menschen oder „offensichtliche“ geistige Behinderung. Einem Asperger sieht man die Behinderung nicht auf den ersten Blick an. Daher fühlen sich viele Menschen (bzw. Angehörige von Kindern) mit autistischen Ausprägungen nicht „schwerbehindert“ und verzichten daher den Behindertenstatus. Aber die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) – inklusive dem Asperger-Syndrom – ist eine nicht erworbene, tiefgreifende Wahrnehmungsbeeinträchtigung.
Es handelt sich dabei hauptsächlich um qualitative Beeinträchtigungen in den Bereichen Interaktion, Kommunikation, Stereotypien/Rituale und Spezialinteressen. Die Kinder sind nicht „ein bissl anders“, die Beeinträchtigung ist zentral und betrifft viele Lebensbereiche.
Und sie brauchen Unterstützung.
Und die kostet meist echtes Geld.
Und oft genug – wie zum Beispiel in unserem Fall – bleibt die gesamte finanzielle Belastung an den Eltern hängen.
Asperger-Autisten (ICD10-Code F84.5) meist einen Behinderungsgrad von 50 Prozent. Dieser (Schwer-)Behindertenstatus bietet durchaus Vorteile:
Ein Behindertenausweis für Asperger?
Ab einem Grad der Behinderung GdB von 50 gilt man als schwerbehindert und erhält einen Behindertenausweis. Vorteile sind:
- finanzielle/steuerliche Vergünstigungen
- Anrechenbarkeit von Aufwendungen
- Recht auf weitere Unterstützungsmaßnahmen – u.a. für Ausbildung und Beruf.
Den Behindertenstatus muss man übrigens nicht zwingend angeben, z.B. bei einer Bewerbung. Behält man dieses Fakt für sich, verzichtet man ggf. auf eventuelle Nachteilsausgleiche und Vergünstigungen, macht sich aber nicht strafbar. Es ist also quasi ein „Mitgliedsausweis“, den man herzeigen kann – oder eben auch nicht.
Steuerliche Vorteile und erhöhte Familienbeihilfe
In Österreich gibt es einen Freibetrag für behinderte Kinder (abhängig vom Grad der Behinderung zwischen 75 und 262 Euro). Außerdem werden nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen, Schulgelder und Internatskosten (Hilfsmittel, Kosten der Heilbehandlung und ein allfälliges Entgelt für Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule) steuerlich berücksichtigt. Einen Mindestbetrag für „außerordentliche Belastungen“ (i.d.R. 4.000,-) gibt es dann nicht.
Eine erhöhte Familienbeihilfe gibt es ab einem Grad der Behinderung von mind. 50 Prozent (aktuell 138,30 pro Monat, wird alle zwei Monate zusätzlich zur Familienbeihilfe ausbezahlt).
Die erhöhte Familienbeihilfe kann übrigens bis zu fünf Jahre rückwirkend (ab Antragstellung) beantragt werden.
Pflegegeld
Ich hab auch schon von zahlreichen Familien gehört, die für ihr Asperger-Kind Pflegegeld (meist Stufe 1) bekommen. Pflegegeld ist durchaus angebracht, da folgende Punkte auch bei Aspergern zutreffen:
- mangelnde Gefahreneinsicht
- keine bzw. mangelnde Wahrnehmung und Äußerung von eigenen Bedürfnissen (trinken, essen, schlafen, zur Toilette gehen …)
- erhöhter Aufwand durch notwendige 1:1-Begleitung
- erhöhter Aufwand durch intensive Kontakte mit Schule, Kindergarten zwecks Krisenbewältigung
- erhöhter zeitlicher und finanzieller Aufwand für Therapiemaßnahmen
Allerdings reduzieren sich bei Bezug von Pflegegeld andere Leistungen (z.B. werden 60 Euro der erhöhten Familienbeihilfe auf das Pflegegeld angerechnet).
Unser Fazit:
Behindertenpass und erhöhte Familienbeihilfe: ja.
Das Sachverständigen-Gutachten hat uns einen Grad der Behinderung von „50 v. H.“ (Beamten-Deutsch für 50 Prozent).
Weil wir schließlich jede Menge Kohle für Therapien bezahlen – und von Krankenkasse, Land oder sonstigen Behörden KEINEN CENT Unterstützung dafür bekommen. Dann können wir die Beträge nun zumindest steuerlich geltend machen und erhalten die erhöhte Familienbeihilfe.
Das Pflegegeld werden wir nicht beantragen – das fühlt sich für uns nicht passend an. Es bringt auch unter’m Strich wenig Vorteile, weil es Freibeträge und die erhöhte Familienbeihilfe mindert.
Als „behindert“ werden wir unseren Sohn dennoch nicht bezeichnen, geschweige denn so anreden. Er ist wie er ist. Und er ist in Ordnung so wie er eben ist. Ihm gegenüber haben wir das ganze Verfahren so erklärt: „Wir haben Geld beantragt zur Unterstützung von diversen Therapien, die wir gemeinsam mit dir machen: für das Sommercamp, für die Gruppentherapie und für die Einzeltherapie.“ Er (10 Jahre alt) meinte dazu: „OK.“
Weitere Informationen
Deutschland:
- Feststellung des Grades der Behinderung (autismus.de)
- Schwerbehindertenausweis (autismus-verstehen.de)
Österreich:
- Steuerliche Absetzmöglichkeiten (sozialministeriumservice.at)
Unsere Geschichte:
- Mein Kind ist “anders” – ist mein Kind indigo? (April 2012)
- Hochbegabung erkennen – und was dann? (April 2013)
- Hilfe, mein Kind macht Probleme in der Schule! Von Beratungslehrern und Schulpsychologen (Juni 2013)
- Ist mein Kind Autist? Entwicklungsstörungen erkennen (Oktober 2013)
- “Schwierige” Kinder begleiten: konkrete Tipps für Eltern & Pädagogen + Buchempfehlung (Dezember 2013)
- Ein Asperger-Kind erziehen und begleiten (August 2014)
- Homöopathie bei Autismus und Asperger-Syndrom (Dezember 2014)
- Ist mein autistisches Kind geheilt? (Januar 2015)
Ein paar Hilfsmittel und Lösungsstrategien, die wir uns mit der Zeit zusammengesucht und ausprobiert haben:
- Ein Asperger-Kind erziehen und begleiten
- Asperger-Kinder in der Regelschule
- Hilfreiche Bücher für Asperger-Eltern
- Krisenbewältigung in der Schule – Ein Erfahrungsbericht
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Claudia
6 Juni 2017Hallo. Ich bin über deine/eure Seite gestollpert, auf der Suche nach Autismus Spektrum Störung. Wir haben die Diagnose seit kurzem und frage mich wie geht man als Mama damit um? Wie verkraftet man das und vor allem, WIE sagt man seinem Kind das es ASS hat? Würde mich über eine E-Mail zum Austausch freuen.
LG Claudia
Muttis Nähkästchen
8 Juni 2017Hallo Claudia,
ich war ehrlich gesagt heilfroh über die Diagnose. Ich hab mich dann eingelesen in verschiedene Bücher – und da sind die Tränen geflossen. Denn erstmals hab ich verstanden, warum mein Kind sich verhält wie es sich verhält, welche Situationen es aushalten muss und welche Nöte es hat. Ich konnte eine ganz neue Liebe zum Kind entwickeln. Denn vorher hab ich nur versucht, es zu „erziehen“ – aber das ging nicht. Das Kind „funktionierte“ einfach nicht so wie andere Kinder – das hat viel Selbstzweifel und viel Selbstvorwürfe mit sich gebracht …
Wie sagt man es dem Kind? Das ist fürwahr eine herausfordernde Situation. Bei uns hat das eine auf Autismus spezialisierte Psychologin gemacht, die uns (Eltern und Kind) 2 Jahre lang intensiv begleitet hat. Und uns auch heute noch mit Rat und Tat zur Seite steht – z.B. zu einer Supervision im Gymnasium.
Alles Gute!
Birgit
Julia
18 Juli 2018Liebe/r Angehörige/r eines besonderen Kindes (nicht nur Mamas, sondern auch Väter oder Geschwister)!
Ich verfasse momentan im Rahmen des Ethik-Lehrgangs an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich meine Abschlussarbeit. Es geht dabei um das Thema „Resilienz von Familien mit beeinträchtigten Kindern“ und in diesem Zusammenhang habe ich einen zweiteiligen Fragebogen erstellt, dessen Beantwortung 5-10 Minuten in Anspruch nimmt.
Alle Daten werden vertraulich behandelt, anonymisiert ausgewertet und nur für diese Arbeit verwendet. Es gibt auch keine richtigen oder falschen Antworten – Ihre/deine persönliche Einschätzung und Erfahrung sind gefragt!
Mit Ihrer/deiner Teilnahme leisten Sie/leistest du einen großen Beitrag zur Untersuchung meiner Forschungsfrage. Ganz besonders würde ich mich darüber freuen, wenn Sie/du den Fragebogen auch an andere Betroffene weiterleiten könnten/könntest.
Hier sind die Links (bitte beide anklicken):
Teil 1: https://de.surveymonkey.com/r/VDRWYNH
Teil 2: https://de.surveymonkey.com/r/VD3RDCG
Vielen Dank für Ihre/deine Unterstützung!
Julia
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Manu Minje
12 Nov. 2019Wir haben zur Zeit ein großes Problem mein Sohn hat ein Strafbefehl erhalten und sie wollen ihm den Führerschein entziehen. Bin so emotional am Ende.
Muttis Nähkästchen
12 Nov. 2019Oh weh! Ich wünsche euch viel Kraft. Holt euch unbedingt Hilfe von Experten!
lg Birgit
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Patrik
22 Mai 2024Schönen guten Tag.
Ich bin vor ein paar Wochen mit 53 Jahren diagnostiziert worden und weiß seit dem , dass ich Asperger bin. Ich mache es kurz. Ein langer Leidensdruck wird vielleicht jetzt mit dem Befund etwas gelindert. Ich möchte sie bitte etwas fragen bezüglich dem Behindertenausweis. Sie schreiben ein Sachverständiger hat den Behindertengrad festgestellt. Bedeutet das, dass ich mich nach meinem Befund von einer weiteren Person untersuchen lassen muss, damit ich den Behindertenausweis bekomme. Vor so einem Treffen hätte ich nämlich angst. Danke für ihre Seite hier und für die Rückmeldung. LG Patrik
Birgit
25 Mai 2024Lieber Patrik,
bei uns war es so. Aber das muss nicht heißen, dass es bei allen so ist. Hängt wahrscheinlich stark von der jeweiligen ausstellenden Stelle ab und/oder von den Unterlagen, die beigefügt werden. Wenn die aussagekräftig genug sind, dann geht’s möglicherweise auch direkt durch.
Alles Gute und liebe Grüße
Birgit
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