Für uns Eltern wird es zunehmend schwieriger, bei dem ganzen Digitalkram den Überblick zu wahren. Sollen wir beim Thema digitale Spiele gelassen bleiben? Oder besser skeptisch? Oder am besten alles verbieten? In der ICD-11, der elften Version des internationalen Krankheitskatalogs der WHO, wird Computerspielabhängigkeit zur Diagnose erklärt. Wie erkennt man Computerspielsucht? Was können Eltern tun? Und wie können Eltern vorbeugen?
Antworten darauf gibt’s hier:
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Voraussichtliche Lesedauer: 8 Minuten
Inhaltsverzeichnis
- Digitale Spiele und Medien sind nicht automatisch negativ
- Ein Zuviel kann aber auch problematisch werden
- Computerspielsucht als Diagnose
- Ist mein Kind spielsüchtig? Abhängigkeit von digitalen Spielen erkennen
- So können Eltern einer Spielsucht vorbeugen
- Kinder nicht zu früh an digitale Medien gewöhnen
- Gemeinsam spielen oder schauen
- Spiele und Sendungen gemeinsam auswählen
- Motive hinterfragen
- Einen Rahmen vereinbaren
- Technischer Schutz
- Alternative Beschäftigungen bieten
- Auch mal gemeinsam nichts tun
- Digitale Medien und Spiele nicht als Erziehungsmittel einsetzen
- Vorbild sein
- Online-Tests nutzen
- Hilfe holen
- Und manchmal kann man auch richtig Positives mit Medien anstellen
Gleich vorweg: Eine gesunde Skepsis ist durchaus angebracht. Aber wir dürfen auch die Kirche im Dorf lassen:
Digitale Spiele und Medien sind nicht automatisch negativ
Denn digitale Spiele sind bei den meisten Jugendlichen ein typisches Hobby. Medien und digitale Spiele spielen eine große Rolle beim Aufwachsen der heutigen Kinder. Smartphones, Tablets, Computer und Konsolen sind Teil unseres Alltags und damit auch Teil der Lebenswelt der Kinder. Mit digitalen Medien kann man entspannen und auch soziale Kontakte pflegen. Richtig dosiert können sie Kinder bilden, ihnen zahlreiche Anregungen bieten und bestimmte Fähigkeiten vermitteln und fördern. Dazu zählen: strategisches Denken, räumliche Orientierung und das Lösen von komplexen Herausforderungen.
Ein Zuviel kann aber auch problematisch werden
Nicht umsonst sind Suchtberatungsstellen auch bei GameCons, wie z.B. der Game City Wien, vertreten. Denn Forschungsergebnisse zeigen, dass die Gefährdung Richtnung Abhängigkeit sehrwohl gegeben ist!
So können Eltern erkennen, wenn es doch aus dem Ruder läuft:
Computerspielsucht als Diagnose
Der ICD-Kriterienkatalog (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) ist ein weltweiter Standard für verschiedenste Gesundheitsprobleme. Daran orientieren sich Diagnosen und Behandlungen. Im ICD-11-Katalog hat die Weltgesundheitsorganisation Computerspielabhängigkeit unter der Bezeichnung „Gaming Disorder“ zu einer eigenständigen Diagnose erklärt.
Für diese Diagnose gibt es drei Kriterien, die über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr bestehen müssen und die persönliche Lebensführung erheblich beeinflussen:
- Kontrollverlust über das Spielverhalten:
Personen können nicht aufhören zu spielen, obwohl wichtige Termine anstehen oder die Situation unangemessen ist. - Vernachlässigung von anderen Interessen:
Spielende kapseln sich von der Außenwelt ab und vernachlässigen Freunde, Familie, Hobbys oder Pflichten. - Negative Konsequenzen:
In einem oder mehreren Lebensbereichen (Schule, Beruf oder Gesundheit) kommt es zu erkennbar negativen Konsequenzen, die Person kann trotz persönlichem Leidensdruck nicht aufhören zu spielen.
Die episodische, teils auch problematisch erscheinende Faszination für ein digitales Spiel ist somit nicht gemeint. Aber wie können wir die Grenze zwischen „normalem“ und gesundheitsgefährdendem Spielverhalten erkennen?
Ist mein Kind spielsüchtig?
Abhängigkeit von digitalen Spielen erkennen
Eltern sollten nicht nur auf das „Wie oft“ und dem „Wie lange“ schauen. Vor allem das „Warum“ ist entscheidend. Übermäßiger Medienkonsum über einen längeren Zeitraum ist oft ein Zeichen, dass es dem Kind nicht gut geht. Holt euch Hilfe, wenn ihr folgende Auffälligkeiten feststellt:
- Das Kind verbringt regelmäßig einen Großteil der Freizeit mit digitalen Medien und Spielen
- Es lässt andere Spiel- oder Beschäftigungsmöglichkeiten komplett außer Acht
- Das Kind zieht sich zurück und vernachlässigt soziale Kontakte
- Alles rundherum ist nicht mehr so wichtig – es zählt nur noch das Spielen.
- Das Kind ist regelmäßig müde und unausgeglichen.
- Das Kind kommt schulischen Verpflichtungen immer weniger nach
- Es wird aggressiv, depressiv, lustlos oder nervös, wenn eine Beschäftigung mit den Medien nicht möglich ist.
Diese Faktoren begünstigen eine Sucht:
- Einsamkeit, Schüchternheit, geringes Selbstwertgefühl
- Depression, Stress, (Versagens-)Ängste oder die Unfähigkeit, Probleme zu bewältigen
- Mangelndes soziales Umfeld, z. B. fehlende Aufmerksamkeit innerhalb der Familie
- Mobbing, z.B. im Schulumfeld
- Misserfolge oder mangelnde Erfolgserlebnisse im Alltag
- wenig befriedigende Interessen und Hobbies
- kritische Lebenssituationen (Beziehungsprobleme, Trennungen, Probleme mit Schule, Beruf, Studium)
So können Eltern einer Spielsucht vorbeugen
Mit folgenden Tipps können Eltern einer potenziellen Spielsucht schon früh begegnen:
Kinder nicht zu früh an digitale Medien gewöhnen
Bis zum Alter von drei Jahren brauchen Kinder gar keine digitalen Medien. Sie sind schnell fasziniert, aber auch schnell überfordert. Darum gilt in diesem Alter: je weniger, desto besser! Auch wenn das bei der Allgegenwärtigkeit von Smartphones, Tablets & Co immer schwerer wird …
Gemeinsam spielen oder schauen
Je kleiner die Kinder, desto weniger sollten sie digitale Spiele und Medien alleine konsumieren. Sie brauchen noch Begleitung und Erklärungen durch Erwachsene. Darum: Wenn schon spielen oder Youtube-Videos schauen, dann nur gemeinsam. Und immer wieder über das Gesehene sprechen.
Spiele und Sendungen gemeinsam auswählen
Lasst eure Kinder nicht wahllos fernschauen, YouTube schauen oder digitale Spiele spielen. Interessiert euch für die Inhalte, bleibt im Gespräch und verbietet auch mal etwas, wenn es euch befremdlich vorkommt.
Aber je älter die Kinder werden, desto eher werden sie wohl auch Spiele spielen, die euch nicht so „schmecken“. Ob es dann sinnvoll ist, das zu verbieten, müsst ihr selbst bewerten. Wichtig finde ich, die eigenen Werte und das Missfallen über solche Inhalte zu thematisieren (aber nicht zu problematisieren).
Motive hinterfragen
Warum spielt das Kind? Hält es Kontakt zum Freundeskreis? Sucht es Spannung und Abenteuer? Oder flüchtet es aus einen konfliktreichen Alltag?
Unter’m Strich ist wichtig zu beachten, dass in unserer heutigen, digital geprägten Gesellschaft auch virtuelle Kontakte eine Bedeutung haben! Auch, wenn wir Erwachsenen das gegebenenfalls nicht immer nachvollziehen können.
Einen Rahmen vereinbaren
Kinder und Heranwachsenede brauchen einen Rahmen. Hilfreich dafür ist zum Beispiel ein Mediennutzungsvertrag.
Technischer Schutz
Um die Spielzeiten Ihrer Kinder im Auge zu behalten, können zusätzlich technische Schutzmaßnahmen verwendet werden, die in einigen Spielen, Betriebssystemen und Spielkonsolen bereits vorhanden sind (siehe dazu Technische Schutzmaßnahmen auf klicksafe.de).
Allerdings solltet ihr euch nicht blind auf derartige Programme verlassen! Die Kids können googeln! Und da draußen tummeln sich zahlreiche Anleitungen, wie man technische Schutzmaßnahmen gekonnt umgehen kann! Nicht zuletzt darum ist es bei allen technischen Möglichkeiten vielleicht wichtiger, im laufenden Gespräch mit den Kids und Jugendlichen zu bleiben.
Alternative Beschäftigungen bieten
Digitale Spiele sind ein Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und dürfen als Hobby darin auch tatsächlich ihren Platz haben!
Aber sorgt dafür, dass auch andere Beschäftigungsmöglichkeiten in den Fokus kommen. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang wäre Bewegung in der freien Natur. Diese Alternativen müssen jedoch für das Kind interessant sein und Freude bereiten.
Siehe dazu auch:
- 42 einfache Ideen für guten Familienzusammenhalt
- Kostenloser Download: 120 Ideen gegen Langeweile
- Kinder lüften im Winter: 16 Outdoor-Ideen mit Familie
Auch mal gemeinsam nichts tun
Mir ist langweilig!
Und schon wird zum Smartphone gegriffen …
Langeweile darf sein! Eine Familienkultur, in der auch unproduktive Zeit sein darf, ist von Vorteil. Blödeln, tagträumen, einfach mal nichts tun – und nicht sofort zu einer Ablenkung greifen!
Digitale Medien und Spiele nicht als Erziehungsmittel einsetzen
Schwieriges Thema – ich weiß … Aber als Erziehungsmittel und mögliche Strafe – „Handy-Entzug“ kann ordentlich nach hinten losgehen! Denn damit geben wir den Medien und Spielen noch mehr Macht und Bedeutung, die sie nicht haben sollten …
Vorbild sein
Autsch! Erwischt! Ebenfalls ein sehr schwieriges Thema!
Aber es gilt: Verlangt von den Kids nicht mehr Disziplin, als ihr selbst aufbringen könnt!
Online-Tests nutzen
Ist mein Kind spielsüchtig? Wenn ihr nicht sicher seid, könnt ihr Online-Tests nutzen, um das Nutzungsverhalten des Kindes besser einordnen zu können. Das kann auch ein erster Schritt sein, um mit dem Kind ins Gespräch zu kommen. Eine gemeinsame, verständnisvolle Auseinandersetzung mit der Mediennutzung ist ein erster und wichtiger Schritt!
Hilfe holen
Solltet ihr das Gefühl haben, dass das Kind stark gefährdet oder bereits von der Computerspielsucht abhängig ist, solltet ihr euch unbedingt professionelle Hilfe holen. Anlaufstellen sind z. B. Sucht- und Familienberatungen, Kliniken oder Psychologen. Ihr seid nicht alleine!
Siehe auch: Therapie von Computerspielsucht: Wie eine Familie den Entzug schaffte
Und manchmal kann man auch richtig Positives mit Medien anstellen
- Englisch-Wortschatz verbessern: die 20 besten Weihnachtsfilme
- Zivilcourage trainieren: App hilft Jugendlichen, richtig zu reagieren
- Fake News erkennen: Kinder vor Verschwörungstheorien schützen
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Quellen: klicksafe.de, Wie schütze ich mein Kind vor Sucht? Broschüre des Instituts für Suchtprävention der Sucht und Drogenkoordination Wien.
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