Wer prägt Phlegmatiker oder Choleriker, Ängstliche oder Aufgeschlossene, Erzähler oder Schweiger, Egoisten und Bescheidene …? Das aktuelle Profil hat dazu mal Dr. Google befragt: 1,8 Mio. Treffer meinen, die Gene seien schuld, 6,8 Mio gar schieben es den Eltern in die Schuhe. Dass „beide schuld“ sind bezeugen 13,6 Mio. Treffer. Alle liegen daneben:
Zwischenruf in eigener Sache:
Liebe Leute!
Willkommen am Familienblog "Muttis Nähkästchen"
Für alle, die uns noch nicht kennen: Hier plaudern Birgit und Christine aus dem Nähkästchen und schreiben über das (Über-)Leben mit Kindern.
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Lange Jahre war Freuds psychologisches Paradigma des Behaviorismus das Maß aller Schuldzuweisung: Der Mensch kommt als leeres Blatt zur Welt und wird in seinen ersten Lebensjahren „beschrieben“ – durch positive oder negative Konditionierung. Eltern sei Dank – oder eben Schuld. In den 1980-er Jahren kamen dann die Gene in den Genuss des Sündenbocks.
So einfach ist das aber nicht – der Mensch ist ein vielseitiger Generalist.
Die Wissenschaft hingegen strebt Eindeutigkeit an. Exakte Wissenschaft muss ihren Problembereich zwangsläufig eingrenzen und läuft damit Gefahr, komplexe Sachverhalte zu reduzieren.
Das ganze System ist höchst dynamisch:
Ein unruhiges Baby beeinflusst den Erziehungsstil seiner Eltern, der wiederum Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes hat, im Zuge derer aber das Kind auch ein inneres Selbstkonzept entwickelt, das als Puffer gegen negative Einflüsse wirkt und die Persönlichkeit stabilisiert.
Wir sollen die seelischen Kräfte der Kinder nicht unterschätzen – sie sind keine armen, ausgelieferten Würstchen: Ein Junge, der unter seinem Vater sehr gelitten hat, ist durchaus in der Lage, ein ganz anderer Mann als sein Vater zu werden.
In den vergangenen Jahren wurde durch die Epigenetik außerdem klar, dass Gene kein Programm sind, das wie eine Computersoftware stur abgespult wird. Kulturelle Werte, Gewohnheiten und individuelle Entscheidungen können in die Genstruktur einfließen. Das eröffnet einen Gestaltungsspielraum, der zeitlebens offen bleibt.
Die Persönlichkeit ist also eine nahezu lebenslangen Dynamik und alles andere als Schicksal. Die Persönlichkeit wird nicht in den ersten Lebensjahren ein für alle mal festgeschrieben, sie entwickelt sich bis etwa 60 Jahre und wird laufend stabiler. Pfew! Noch mal Glück gehabt. Ich müsste nämlich sonst an meiner Mutter-Güte zweifeln, denn ich hab sicher schon das eine oder andere im bisherigen Leben meiner Kinder gründlich verbockt.
Foto: Renato Carvalho
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