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Das Leben ist bunt: Neurodiversität an der Toleranzgrenze

Das Leben ist bunt: Neurodiversität an der Toleranzgrenze

„Colours of life“ – das Leben ist bunt. Niemand ist wie der andere – es lebe die Individualität!
Ja? Nicht wahr?
Alle schreien Hurra!
Doch HALT! Ganz so Friede, Freude, Eierkuchen ist es nicht.
Ich erzähle euch eine Geschichte aus dem Leben mit einem Kind, das anders als andere ist. Aber mit dieser „Buntheit“ hat die Gesellschaft so ihre Probleme:


Zwischenruf in eigener Sache:

Liebe Leute!
Willkommen am Familienblog "Muttis Nähkästchen"

Birgit und Christine von Muttis Nähkästchen

Für alle, die uns noch nicht kennen: Hier plaudern Birgit und Christine aus dem Nähkästchen und schreiben über das (Über-)Leben mit Kindern.

Alles, das Eltern wissen sollten! Wir bemühen uns um wertvolle Inhalte, die euch wirklich weiterhelfen. Außerdem haben wir immer wieder feine Sachen für euch zu verlosen.

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Wir feiern die Buntheit, wir feiern die Individualität.
Kommt jedoch das nicht selbst gewählte Anderssein ins Spiel, ist statt Buntheit schnell Schwarz-Weiß-Denken angesagt.

Unser Kind ist ein bunter Hund.
Also jetzt nicht wortwörtlich und nach Äußerlichkeiten betrachtet. Ganz im Gegenteil – er würde am liebsten in seinem Hoodie verschwinden, durchsichtig sein für andere.

Unser Kind ist anders, unser Kind verstört.
Unser Kind hat das Asperger-Syndrom.

Übrigens: Ausgerechnet die Autismus Awareness-Schleife ist die bunteste von allen. Jeder kennt die rote Schleife als Zeichen der Solidarität mit AIDS-Kranken und HIV-Infizierten. Oder die rosa Schleife für bzw. gegen Brustkrebs. Die Autismus-Schleife ist bunt „gepuzzelt“.

Das Leben ist bunt: Leben mit einem autistischen Kind

Im Sinne der vielgepriesenen Neurodiversität sollte das alles kein Problem sein.
Aber – jetzt kommt das große ABER:
Unsere Gesellschaft kann nur schwer mit dieser Buntheit umgehen.

Schnell sind wir mit einem Urteil und einer passenden Schublade parat: schwarz – weiß, gut – schlecht, funktioniert – funktioniert nicht, passt – passt nicht. Was nicht passt, wird passend gemacht. Und was sich nicht passend machen lässt, wird es aussortiert.

Oft höre ich: „Aber er hat doch eh nur die leichte Form des Autismus!“ – eine trügerische Schlussfolgerung. Denn gerade weil man unserem Kind seine Behinderung nicht ansieht, halten sich üblicherweise auch Nachsicht, Rücksicht und jegliches Wohlwollen in sehr schmalen Grenzen.

Meistens merkt man nichts von seiner Beeinträchtigung.
Aber wehe, wehe, wenn er seine Eigenheiten, wenn er seine Buntheit zeigt.

Vonwegen Buntheit:
Unsere Gesellschaft erträgt kein Anderssein

Es beginnt im Kleinen: Dieses komische Kind wird zu keiner Geburtstagsparty eingeladen, hat keine Freunde. Das ist ein Stich ins Mutter-Herz. Dass das OK ist, musste ich erst lernen. Denn das Kind selbst leidet nicht darunter.

Oder neulich beim Zahnarzt: Dieser herablassende Blick, als sich unser Kind nicht ins Gesicht greifen ließ. „Verzogener Fratz, unfähige Eltern“ – ich konnte es deutlich in seinem Gesicht lesen. Wir erklären, rechtfertigen, werben um Verständnis.

Oder die Eskalation im Klassenzimmer. Jeder sieht nur das Resultat und denkt wohl „Arschlochkind!“ Dass er sich in die Ecke gedrängt sah und sich in seiner Not und seiner Logik nicht anders zu helfen wusste, steht auf einem anderen Blatt.

Ein Satz, vor dem wir uns fürchten ist: „Das ist nicht mein Job!“ Er könnte jederzeit von jedem Lehrer oder jeder Lehrerin kommen. Dann sind wir geliefert. Bis dahin eilen wir von Krisensitzung zu Krisensitzung.

Die Nachfrage beim Landesschulrat macht klar: Nachteilsausgleich – Fehlanzeige. Wir sind und bleiben auf das Wohlwollen der Lehrkräfte angewiesen.

Von ganz anderer Seite erhalten wir wüste Beschimpfungen. Ich dürfte mich gar nicht zum Thema Autismus äußern, denn ich sei ja schließlich keine Betroffene.
Ach … Aber bis das Kind volljährig ist, werden wir weiterhin Sprechstunden besuchen, zum Schuldirektor laufen, erklären, rechtfertigen, vermitteln. Unsere Not als Eltern zählt in Betroffenenkreisen nicht.

Wir erklären, wir rechtfertigen, wir versuchen zu vermitteln, mit welchen Nöten und zusätzlichen Herausforderungen unser Kind konfrontiert ist. Wer weiß das schon? Einen ganz normalen Schultag durchzustehen, ist für ihn eine enorme Kraftanstrengung – all die anderen Kinder, die verschiedenen Lehrer, das Flackern der Leuchtstoffröhre, die Unstrukturiertheit der Pausen … alles prasselt ungefiltert auf ihn ein.

Das Leben ist bunt: Leben mit einem autistischen Kind

Jeder macht einen Schritt!

Ja, unser Kind weicht ab von der „neurologisch typischen“ Norm. Aber ihn deshalb pathologisieren? Dass jegliche Abweichung geheilt werden muss? Nur um Konformität herzustellen? Nein, danke!

Wir ALLE sind gefordert:

Ja, wir arbeiten mit unserem Kind, vermitteln, suchen Lösungsvarianten. Er passt sich nach seinen individuellen Möglichkeiten an. Aber er wird immer eigen und anders bleiben, wir können ihn nicht in ein Schema F quetschen. Und eine Pille gegen Autismus gibt es nicht. (Gott sei Dank, möchte man fast sagen!)

Daher ist auch die Gesellschaft gefordert: Wir „Neuro-typischen“ Menschen müssen einen Schritt auf ihn (und alle Menschen mit Autismus) zugehen.
Autismus ist eben eine Variante – eine zusätzliche Farbe in der viel gepriesenen Buntheit.
Stichwort: Neurodiversität.

So lange das noch nicht in der Gesellschaft angekommen ist, müssen wir weiter laufen, erklären, rechtfertigen, vermitteln.
Und das tu ich hiermit:


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Bitte seid tolerant!
Bitte seid nachsichtig, wenn’s mal nicht so klappt.
Seid BUNT!

DANKE!


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Danke, dass ihr hier seid!
Birgit & Christine

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Birgit

Hier plaudert Birgit, alias Mutti, 40+, seit 2009 aus dem Nähkästchen: Authentizitäts-Freak, selbstbewusst grauhaarig, kreativ angehaucht, völlig unperfekte Mutter. Familienblog aus dem Leben mit zwei Jungs - Mutter allein unter Männern. Mehr über Muttis Nähkästchen: About. Nix verpassen? Folgt mir via Social Media oder Newsletter.

Dieser Beitrag hat 15 Kommentare

  1. Danke für deinen weisen Worte, liebe Mutti! Die kann ich voll und ganz unterschreiben auch als Mutter eines Jungen mit Asperger gesegnet. „Aber man sieht ihm ja nichts an“… leider leider und wenn er dann ungehalten reagiert:“ wie kann der nur so ausflippen“ und Seitenblick auf uns Eltern, „haben die ihr Kind nicht im Griff, erzogen etc…“
    Einen Pluspunkt haben wir hier in der Schweiz bei uns in der Schule, der Nachteilsausgleich funktioniert und wir haben die Lehrer und Heilpädagogen auf unserer Seite.
    Trotzdem ist das Leben mit ihm eine tägliche Herausforderung! Der Hoodie darf dann ja nicht kratzen oder ein Schildchen am falschen Ort haben;-)
    Eine schöne Adventszeit gewünscht!

    1. Danke für deinen Kommentar! Dieses Feedback ist enorm wichtig für mich. Dieses „Warum nur tut er das?!?!“ – ja eben, die Diagnose ist nicht aus der Luft gegriffen – und die unausgesprochenen Seitenblicke kenne ich nur zu gut!
      Und seid froh über den Nachteilsausgleich – das ist enorm viel wert! Manchmal fühle ich mich wie im Autismus-Entwicklungsland. (Man hat uns sogar schon geraten, in ein anderes Bundesland zu ziehen … tja, wenn das so einfach wäre …)

  2. Danke für diesen tollen Artikel!

    Ja, auch wir kennen diese permanenten Rechtfertigungen und das Gebettel um Nachsicht… Es ist sehr schwer… Zudem hat unser heiß geliebter Aspie noch drei jüngere Brüder. Wir gelten also in der Gesellschaft oft als asozial und werden auch so behandelt. Kaum jemand kommt hier auf die Idee, dass unsere Jungs alle genau geplant und ersehnt waren, dass wir keine Mühen scheuen, um ihnen ein glückliches Leben zu ermöglichen.
    Ich bin total froh, dass unser Größter ein Aspie ist, denn er fordert uns ständig dadurch dazu auf über den Tellerrand zu schauen, andere Wege zu beschreiten. Das finde ich unfassbar spannend! Wer sagt eigentlich was „normal“ ist? Wer entscheidet darüber? Ich empfinde Menschen, die derartig urteilen als unnormal…
    Naja, wie dem auch sei… Danke für Deinen tollen Appell! Das ist Balsam…

    Liebe Grüße,
    Antje

    1. Danke für dein Feedback! Ich bin ja immer stark am überlegen, bevor ich Artikel rund um Asperger und Autismus veröffentliche. Aber es ist schön zu hören, dass es „ankommt“ – hoffentlich auch bei so manchen nicht betroffenen Menschen.

  3. Danke für Deinen Artikel! Es macht mich immer so, so traurig, dass das Verständnis (und auch die entsprechende Unterstützung durch Gesellschaft und Schule) so überhaupt nicht funktioniert. Habe in der Familie und im Freundeskreis einige Kids mit Legasthenie und bei jedem einzelnen Fall hat das mit dem Nachteilsausgleich nicht funktioniert. Lippenbekenntnis ja, tatsächlich aber nein.
    Der Rummel um die Schule steht uns noch bevor und ich fürchte mich schon.
    Euch noch viel Kraft, gute Nerven und verständnisvolles Lehrpersonal.
    Ich fürchte, dass es immer an uns, den Aspies und Aspieangehörigen, liegen wird, aufzuklären. Mit möglich viel Geduld und Witz. (Hier kann ich auch die Serie „Atypical“ empfehlen…)

  4. Mein Sohn hat ADHS ich weiß wovon du sprichst

  5. An alle Löwenmamas da draußen! Verliert nicht den Mut. Kämpft für eure bunten Kinder. Es wird immer ein Weg des Suchens bleiben, aber ich wünsche euch, dass ihr die Menschen findet, die eure Kinder so annehmen wie sie sind. Wir haben den Zahnarzt gefunden, der auch zu einer Untersuchung außerhalb der Praxis bereit ist. Die Lehrerin, die beim Weihnachtsspiel eine Rolle im Hintergrund findet, damit das Kind trotzdem mitmachen kann. Die Frau von der Krankenkasse, die schnell und unkompliziert eine Kur für Mama genehmigt, weil sie eine Ahnung davon hat, wie belastend das Leben mit einem Asperger Kind sein kann. Vergesst nicht, auch die Menschen zu sehen, die den Weg mit euch gehen, die euch unterstützen. Ja, es könnten immer mehr sein. Ja, diese Menschen muss man suchen. Aber es gibt sie- Gott sei Dank. Löwenmamas lasst euch nicht unterkriegen, ihr wisst wofür.

    1. Danke! Du hast recht! Auch wenn wir uns manchmal kräftig alleine gelassen fühlen – GANZ alleine sind wir nicht: Auch wir haben solche Menschen gefunden. Ein HERZLICHES DANKESCHÖN an alle hilfreichen Engel dort draußen!

  6. Ach, Birgit, bei uns ist es genauso, wie du schreibst (außer beim Zahnarzt, denn bei Ärzten ist und war er immer der coolste). Aber ja, es finden sich doch immer Menschen, die ihn mögen (z.B. seine derzeitigen Lehrer in der NMS, nachdem sie ihn im Gymnasium ins SPZ abschieben wollten). Und so schwierig es manchmal mit ihm ist, ich finde mein Kind absolut faszinierend und bin immer wieder begeistert, was ich alles durch ihn lerne.
    Niederösterreich ist auch ein wenig Asperger-Entwicklungsland. Wir im Grenzgebiet zu Oberösterreich schauen da immer ein bißchen neidisch rüber zu denen.
    Aber Kopf hoch und seid stolz auf eure besonderen Kinder!

  7. Danke für den Artikel und bitte weiter über Asperger schreiben! Ich hab selbst einen und bin noch nicht so weit auf dem Weg wie du, da wir erst seit kurzem die Diagnose haben. Daher immer froh über Erfahrungsberichte.

  8. Liebe Mutti, jeder Deiner Berichte zu diesem Thema ist Gold wert – schon allein,weil ich plötzlich nicht mehr allein bin.
    Ich finde es interessant, wie unsere Kinder von den sogenannten Normalen bewertet werden und ich kann dazu nur sagen, dass die Menschheit immer „schwieriger“ wird und ich weiß wovon ich spreche, ich habe täglich beruflich mit Menschen über’s Telefon zu tun und was sich da für Gräben auftun ist entsetzlich.
    Deine Berichte zu dem Thema sind auch immer wieder gut um inne zu halten und nachzudenken: ich bin einfach nur froh um unser Kind und möcht alles so haben wie es ist und nicht anders. Und auch wenn’s mal an die Grenze geht, leisten wir Mamas jeden Tag grandioses und meist ist es uns nicht mal bewusst.
    Bitte weitermachen.
    Eine schöne Vorweihnachtszeit noch Euch allen
    Heike

  9. Als jemand der selbst mit Asperger durchs Leben läuft, (komische Redewendung…naja egal) gab mir dein Text einen bislang noch nicht wirklich bewussten Einblick in das was meine Eltern in meiner Schulzeit erlebten. Von daher vielen lieben Dank für deinen Text.
    Achso, dass ich nie zu Geburtstagsfeiern eingeladen wurde und auch nie wirklich Kontakt zur Klasse fand, hat mich sehr wohl belastet. Aber ich zeige sowas grundsätzlich niemals. Von daher halte ich nichts davon vom äußeren Verhalten auf das innere Erleben zu schließen. So bin ich zb äußerlich eigentlich immer ruhig, innerlich aber immer am Rand dazu zur Atombombe zu werden, was manchmal eben auch hervor bricht.

    1. Vielen lieben Dank für deine Rückmeldung! Wir können viel voneinander lernen – Eltern von Kindern und umgekehrt.
      lg Birgit

  10. Danke ❤ Leider fehlt den Gesunden oft die klare Sicht 🥺

    Seit August 2013 wurde mir eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert.
    Zwei Charaktere in einer Person:
    Ein Erwachsener, ein Kind.
    Hoffnungsvolle bewegte Grüße
    Michael aus Neumünster.

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