Wenn das eigene Kind plötzlich neue Verhaltensmuster an den Tag legt, sei es nur für einen kurzen Zeitraum oder aber auch über mehrere Wochen oder Monate hinweg, geht man von einer Tic-Störung aus. Doch was sind Tics überhaupt? Und wie sollte man mit ihnen und dem Kind umgehen? Das verrät Ihnen Sabine Baumann, Heilpraktikerin für Psychotherapie, gerne im folgenden Beitrag.
Voraussichtliche Lesedauer: 7 Minuten
Tics bei Kindern sind keine Seltenheit! Laut Expert*innen entwickelt etwa die Hälfte der Kinder im Grundschulalter einen vorübergehenden Tic. Meist ist er motorischer Art. Und meist verschwinden die Tic-Störungen bei Kindern wieder von selbst.
Inhaltsverzeichnis
Was versteht man unter einem Tic?
Unter einem Tic versteht man ein Krankheitssymptom, das eine kurze und unwillkürliche, regelmäßig oder unregelmäßig wiederkehrende und teilweise komplexe motorische Kontraktion einzelner Muskeln oder Muskelgruppen beschreibt. Es sind wiederkehrende Bewegungen, Laute oder Wortäußerungen, die der Betroffene nicht kontrollieren kann und die nicht zweckgebunden sind. Tics werden zu den extrapyramidalen Hyperkinesien gezählt. Auffällig werden Tics im sozialen Umgang meistens erst dann, wenn sie als heftige körperliche Lautäußerungen oder Bewegungen auftreten.
Tics können im Zuge vielerlei verschiedener neuropsychiatrischer und neurologischer Erkrankungen vorkommen und sind auch als Leitsymptom des Tourette-Syndroms anerkannt. Tourette bedeutet, dass gleichzeitig vokale und motorische Tics bestehen. Laut ICD10-Klassifikation psychischer Störungen sind das kombinierte vokale und multiple motorische Tics. Die betroffenen Kinder leiden sehr unter diesem unkontrollierbaren Körperverlust und sind oft Hänseleien und Mobbing ausgesetzt, vor allem im Rahmen der Schulzeit oder auch bei privaten Kontakten.
Siehe dazu auch: Mobbing: Do’s und Dont’s für Eltern
Welche Tics kann es bei Kindern geben?
Bei den Tics wird zwischen zwei verschiedenen Gruppen unterschieden:
Auf der einen Seite gibt es die motorischen Tics. Zu ihnen zählen unter anderem Blinzeln, Zucken, generelles Grimassieren und Stampfen mit den Füßen. Bei dieser Art der Tics wird der Körper zum Ausdruck des Leidens.
Auf der anderen Seite können auch vokale Tics auftreten, die das Kind in seiner Sprache behindern. Zu den vokalischen Tics zählt man unter anderem Grunzen, Räuspern, Schnalzen und das Wiederholen von Wörtern. Diese Art von Tics behindern das Kind in seiner Ausdrucksweise und Sprache. Die heftigste Ausdrucksweise gipfelt dann in einem Tourette-Syndrom.
Tics bei Kindern: Ursachen für diese Tics
Eine ganz genaue Herkunft oder Ursache der am häufigsten auftretenden und primären Ticstörung ist bis zum heutigen Tag leider nicht zu bestimmen. Allerdings gilt als gesichert, dass diese Störung auf einer genetischen Grundlage basiert.
Bei groß angelegten und paneuropäischen Studien wurde erforscht, welche Rolle die Genetik innerhalb der Ticstörungen innehat und welche anderen Faktoren und Einflüsse es dabei gibt. So können autoimmune Aspekte, Infektionen und hereditäre Störungen in den Basalganglien einen Einfluss nehmen.
Auch organische Gründe und eventuelle Hirnschädigungen wie Enzephalitis oder die Läsion von Basalganglien können die Störungen verursachen. Immer öfter wird von den Fachleuten die striatofrontale Dysfunktion für das Auftreten von Tics verantwortlich gesehen, was auch erklären könnte, dass die Tic-Störungen eine häufige Komorbidität von ADHS darstellen.
Tics bei Kindern: Die richtige Reaktion darauf
Als Grundlage für die Behandlung einer Tic-Störung nimmt man meistens Information und Aufklärung. Was sich zunächst banal anhört, ist immens wichtig für die betroffenen Kinder und ihre Familien. Dabei sollte man das gesamte Umfeld des Kindes und der Familie über die Krankheit und ihre Auswirkungen aufklären, damit möglichst ideal und kindgerecht damit umgegangen werden kann. Die Kinder können nichts für ihr Leiden und sind damit schon genug belastet. Daher ist es absolut hilfreich, wenn die Eltern, Freunde, Angehörige, Lehrer und Klassenkamerad*innen über alles Bescheid wissen und sich darauf einstellen können.
Ganz wichtig ist auch die Akzeptanz. Das Kind braucht das Gefühl, trotz deines Tics geliebt zu werden. Also besser das ständige Ermahnen bleiben lassen! Das erhöht nur den Druck und den Stress, was sich kontraproduktiv auswirken kann. Eltern und andere Personen sollten im Umgang mit dem Kind dem Tic so wenig Beachtung wie möglich schenken.
Viele Tics bei Kindern verschwinden wieder von selbst. Hier ist also Geduld die Behandlung der Wahl. Generell hilft die Vermeidung von Stress, denn Stress ist ein wichtiger Trigger für Tics bei Kindern. Auch das Erlernen von Entspannungstechniken, wie zum Beispiel Autogenes Training oder Meditation, kann helfen, die Häufigkeit der Tics zu verringern.
Siehe dazu auch:
- Basteln mit Kind: meditatives Prickeln
- Yoga mit Kindern: 5 einfache Übungen für Mutter und Kind
- Glück ist keine „Glückssache“ – Kindern Glückskompetenz vermitteln
Zudem gibt es auch verhaltenstherapeutische Ansätze, die bei einer Tic-Störung zu einer Verbesserung führen können. Wenn diese Tics sehr belastend sind, können Medikamente wie Neuroleptika zum Einsatz gebracht werden. Sprecht mit Expertinnen und Experten, Ärztinnen und Ärzten!
Fazit
Tic-Störungen sind für die betroffenen Kinder und ihre Familien eine große Belastung und schränken die Lebensqualität mitunter stark ein. Damit dies so gering wie möglich ausfällt, sollten die Familien offen und direkt mit dieser Thematik umgehen und das Umfeld immer über alles vollständig aufklären und mitnehmen.
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Über die Expertin: Sabine Baumann
Sabine Baumann ist Erzieherin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Nach ihrem Abitur schloss sie erfolgreich die Lehre zur staatlich anerkannten Erzieherin ab und arbeitete in diesem Bereich, bis sie zusätzlich die Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie absolvierte. Ihre eigenen Kinder verstärkten den Wunsch Kindern und Jugendlichen zu helfen und so eröffnete sie 2015 ihre eigene Praxis. Seitdem zeigte Sabine Baumann vielen Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebensphasen einen hilfreichen Weg auf und konnte Eltern den Zugang zum eigenen Kind erleichtern. Sie spezialisierte sich auf Tic-, Angst- und Bindungsstörungen, sowie Depressionen bei Kindern und Jugendlichen. Zu ihren Methoden gehören unter anderem das Therapeutische Malen.
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