Lassen sich Kinder vom Stress ihrer Mütter anstecken? Kinder können den akuten Stress ihrer Mutter subjektiv und körperlich messbar nachempfinden, sind zur Stress-Empathie fähig. Und besonders Jungen lassen sich vom Stress der eigenen Mutter anstecken.
Fakten aus einer aktuellen Studie und Tipps, wie ihr da wieder herauskommt:
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Inhaltsverzeichnis
Mutter-Stress lass nach!
In der Arbeit steht ein wichtiges Projekt an, Überstunden, Arbeiten bis spät in die Nacht – und dann sind da noch die Kinder, die versorgt werden müssen: Viele Mütter erleben Stress nicht nur im Beruf, sondern auch zu Hause. Hält eine derartige Beanspruchung über längere Zeit an, kann dieser Stress chronisch werden.
Aber ist Stress wirklich nur eine individuelle Erfahrung?
Was geschieht mit Kindern, die dauerhaft dem Stress der Mutter ausgesetzt sind? Lassen sich Kinder vom Stress ihrer Mutter anstecken?
Genau dieser Frage geht ein Forschungsteam am Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie des Uniklinikums Jena (UKJ) um Veronika Engert, Professorin für Soziale Neurowissenschaft, in einem DFG-Forschungsprojekt nach. Das Ergebnis:
Kinder fühlen den akuten Stress ihrer Mütter sowohl emotional als auch physiologisch mit!
Jost Blasberg, Psychologe und Erstautor der Studie.
Die Wissenschaftler haben sich zunächst auf die Übertragung emotionaler und körperlicher Zustände von Müttern auf ihre Kinder und somit auf die Mutter-Kind-Beziehung konzentriert. Die ist nicht nur besonders eng, sondern auch für die langfristige psychische Gesundheit von Kindern bedeutend.
Das Besondere am Studienaufbau der Jenaer Psychologinnen und Psychologen: Beurteilt haben sie nicht die Reaktionen der Mütter auf die Stresserfahrungen ihrer Kinder, sondern die Reaktion der Kinder auf den akuten Stress der Mutter. In die Studie eingeschlossen wurden 76 Mütter und ihre Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren.
Jungen lassen sich eher vom Stress ihrer Mutter anstecken
Ein Teil der Kinder hat ihre Mütter bei einem klassischen Stresstest beobachtet, ein anderer Teil in einer Kontrollgruppe die Mütter beim Vorlesen. Ob sich die Kinder vom Stress ihrer Mutter anstecken lassen, haben die Forschenden anhand von vier Stressindikatoren gemessen:
- Kortisol-Spiegel: Kortisol, landläufig als Stresshormon bekannt, produziert unser Körper vermehrt bei Stress.
- Herzrate, also dem Pulsschlag: Je aufgeregter und damit gestresster wir sind, desto schneller schlägt unser Herz.
- Herzratenvariabilität: die zeigt, wie stark sich die Abstände der einzelnen Herzschläge im Laufe der Zeit verändern. Je niedriger die Herzratenvariabilität, desto höher ist das Stresslevel.
- Subjektive Stresseinschätzung: sowohl Kinder als auch Mütter bewerteten ihren empfundenen Stress anhand einer Skala von eins bis sieben.
Im Ergebnis zeigte sich, dass die Kinder in der Stressgruppe den Stress ihrer Mutter tatsächlich mitempfanden. Das ließ sich konkret daran zeigen, dass die Kinder der gestressten Mütter eine stärkere subjektive Stressbelastung empfanden und, vor allem die Jungen, eine höhere Menge des Stresshormons Kortisol freisetzten. Außerdem wiesen sie einen stärkeren, mit den Müttern proportionalen, Abfall der Herzratenvariabilität auf. Ganz besonders niedrig war die Herzratenvariabilität bei Kindern, die sich gut in andere Menschen hineinversetzten konnten. Das wiederum ergab ein Fragebogen.
Überrascht hat uns, dass Jungen stärker auf den Stress ihrer Mütter reagieren als Mädchen im selben Alter. Dafür haben wir noch keine Erklärung.
Psychologe Jost Blasberg.
Stressempfinden von Teenagern
Die Jenaer Psychologen werden ihre Untersuchungen zur Stressübertragung weiterführen und als nächstes das Stressempfinden von Teenagern beobachten. Insgesamt erhoffen sich die Forschenden ein besseres Verständnis von der Bedeutung und den Mechanismen der Stressübertragung innerhalb der Familie. Denn auch wenn in einzelnen Situationen eine Ansteckung mit dem Stress der Eltern sicherlich ungefährlich ist,
Angesichts der hohen kindlichen Abhängigkeit von den Eltern könnte gerade in Familien mit chronischer Stressbelastung das häufige Erleben von empathischem Stress die kindliche Entwicklung negativ belasten.
Prof. Veronika Engert, Leiterin der Arbeitsgruppe Soziale Neurowissenschaft
Quelle: Blasberg JU, Jost J, Kanske P, Engert V. Empathic stress in the mother-child dyad: Multimodal evidence for empathic stress in children observing their mothers during direct stress exposure. J Exp Psychol Gen. 2023 Jun 8. doi: 10.1037/xge0001430.
Stress reduzieren für Mütter – so funktioniert’s
Wie können also Mütter – um ihrer selbst willen und auch zugunsten ihrer Töchter und vor allem Söhne – ihren Stress reduzieren. Dazu haben wir bereits umfangreich recherchiert:
- Entspannung: Wie sich geschlauchte Mütter WIRKLICH erholen können
- Stressiger Familienalltag: wie Eltern ihre innere Ruhe wiederfinden
- Hören und Stress: Wenn wir zu viel um die Ohren haben
- Richtiges Atmen: Stress und Müdigkeit wirksam bekämpfen
- Mutter-Stress lass nach: Mütter brauchen Vitamin B
- Stressprävention für Kinder: 4 Übungen für Schule und daheim
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