Inklusion bedeutet: Lehrkräfte unterrichten verstärkt besonders förderbedürftige Schüler:innen. Eine aktuelle Studie untersuchte die Stereotype von angehenden Lehrkräften gegenüber Schüler:innen mit Autismus, Down-Syndrom und Legasthenie. Das Ergebnis: Es herrschen ausgeprägte Vorurteile, die sich negativ auf die Förderung dieser Kinder auswirklen können! Die Details zur Studie.
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Inhaltsverzeichnis
Inklusion als Rechtsanspruch und die schwierige Umsetzung
Inklusion ist ein wichtiges Thema in der Bildungspolitik. Seit der UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 haben Kinder mit Behinderungen einen Rechtsanspruch auf inklusive Beschulung. Doch die Umsetzung gestaltet sich in der Praxis oft schwierig. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Einstellungen und Überzeugungen von Lehrkräften.
Eine Forschergruppe des Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation hat nun die Stereotype von angehenden Lehrkräften gegenüber Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf untersucht. Die Studie erschien kürzlich in der Fachzeitschrift „Teaching and Teacher Education“.
Stereotype angehender Lehrkräfte gegenüber Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf
Studienteilnehmenden haben durchaus differenzierte Einschätzungen, die sich zwischen den Förderbereichen Autismus, Down-Syndrom und Legasthenie unterschieden. In die übergreifenden Kategorien „kompetent“ und „warmherzig“ sind systematisch zahlreiche Einzel-Stereotype, die von Lehramtsstudierenden genannt wurden, eingeflossen.
Insgesamt bestätigt die Studie, dass Lehrkräfte durchaus differenzierte Sichtweisen auf Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben. Je nach Förderschwerpunkt werden unterschiedliche Aspekte betont – sei es die Kompetenz, das Sozialverhalten oder die Persönlichkeit.
So sehen angehende Lehrkräfte autistische Schüler:innen
Autistische Schülerinnen und Schüler werden von den angehenden Lehrkräften als besonders kompetent und wenig warmherzig empfunden.
Zu den in die übergreifenden Kategorien „kompetent“ und „warmherzig“ eingeflossenen Einzel-Stereotype im Fall von Autismus waren besonders stark ausgeprägt: Autistische Schüler:innen wurden oft als hochbegabt und introvertiert eingeschätzt.
So sehen angehende Lehrkräfte Schüler:innen mit Down-Syndrom
Schülerinnen und Schüler mit Down-Syndrom von den angehenden Lehrkräften als besonders warmherzig und wenig kompetent empfunden.
Zu den in die übergreifenden Kategorien „kompetent“ und „warmherzig“ eingeflossenen Einzel-Stereotype im Fall von Down-Syndrom waren besonders stark ausgeprägt: Schüler:innen mit Down-Syndrom wurden oft als gutmütig und unbeholfen eingeschätzt.
So sehen angehende Lehrkräfte Schüler:innen mit Lese-Rechtschreibschwäche
Schülerinnen und Schüler mit Lese-Rechtschreib-Störung werden von den angehenden Lehrkräften als wenig kompetent und auch relativ wenig warmherzig empfunden.
Zu den in die übergreifenden Kategorien „kompetent“ und „warmherzig“ eingeflossenen Einzel-Stereotype im Fall von Lese-Rechtschreib-Störung waren besonders stark ausgeprägt: Schüler:innen mit Lese-Rechtschreib-Störung wurden oft als faul und leistungsschwach eingeschätzt.
Im Vergleich wurden autistische Schülerinnen und Schüler am kompetentesten und am wenigsten warmherzig, Kinder mit Down-Syndrom als am warmherzigsten und am wenigsten kompetent empfunden. Kinder und Jugendliche mit Lese-Rechtschreib-Störung lagen im Vergleich jeweils in der Mitte.
Negative Auswirkungen dieser Stereotypen
Die Autorinnen und Autoren sind überzeugt, dass diese Einschätzungen das Verhalten von Lehrkräften beeinflussen und sich auf die Lernchancen der Schüler:innen auswirken können. So könnten Schüler mit Autismus aufgrund der Kompetenzeinschätzung überfordert werden, während Schüler mit Down-Syndrom möglicherweise unterschätzt werden.
Auch wenn solche Stereotype bei einzelnen Personen zutreffend sein können, sind sie zu verallgemeinert und ignorieren individuelle Unterschiede zwischen den jeweiligen Schülerinnen und Schülern.
„Es greift zu kurz, alle Schülerinnen und Schüler in die gleiche Schublade zu stecken. Sie haben spezifisch ausgeprägte Verhaltensweisen und Fähigkeiten, die sich stark voneinander unterscheiden. Sie brauchen daher eine individuelle Förderung.“
Charlotte Schell, DIPF – Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
Schätzen Lehrkräfte zum Beispiel ein Kind aufgrund einer Autismus-Diagnose von vornherein als sehr intelligent oder gar hochbegabt ein, könnten sie eventuell dessen Förderbedarf übersehen und es nicht genug unterstützen. Schließlich sind viele autistische Schüler:innen nicht hochbegabt.
Wird wiederum ein Kind mit Lese-Rechtschreib-Störung auf Basis von Stereotypen als faul angesehen, könnten die Lehrkräfte es auffordern, sich mehr anzustrengen, anstatt es gezielt gemäß seinem Bedarf zu fördern.
Fazit
Um Inklusion erfolgreich umzusetzen, plädieren die Forschenden dafür, die Einstellungen von Lehrkräften stärker in den Blick zu nehmen. Stereotype sollten hinterfragt und Lehrkräfte dabei unterstützt werden, die individuellen Stärken und Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler wahrzunehmen.
Dazu braucht es geeignete Aus- und Fortbildungsangebote, die Lehrkräfte für das Thema sensibilisieren und ihnen Handlungsstrategien an die Hand geben. Nur wenn Lehrkräfte offen und wertschätzend mit der Vielfalt in ihren Klassen umgehen, kann Inklusion gelingen und Teilhabe ermöglicht werden.
Details zur Studie
Das DIPF-Team arbeitete für seine Untersuchung mit Lehramtsstudierenden zusammen, die sich in unterschiedlichen Phasen des Studiums befanden, die verschiedene Fächer belegt hatten und für verschiedene Schulformen studierten. In einer Vorstudie führten die Wissenschaftlerinnen zunächst Interviews mit 13 Studierenden, in denen diese unter anderem Stereotype nennen sollten, die sie mit den genannten Gruppen verbinden. Dabei fand sich ein breites Spektrum von Zuschreibungen – etwa impulsiv, unintelligent, aber auch offen oder inselbegabt.
Dabei zeigte sich, dass die Studienteilnehmenden durchaus differenzierte Einschätzungen hatten, die sich zwischen den Förderbereichen Autismus, Down-Syndrom und Legasthenie unterschieden. Um diese Befunde zu quantifizieren, befragten die Forschenden in einer zweiten Studie 213 angehende Lehrkräfte aus ganz Deutschland. Die Teilnehmenden sollten auf einer 6-stufigen Skala einschätzen, inwieweit verschiedene Adjektive auf Schüler:innen mit den genannten Förderschwerpunkten zutreffen.
Quelle: Schell, C., Dignath, C., Kleen, H., John, N. & Kunter, M. (2024). Judging a book by its cover? Investigating pre-service teacher’s stereotypes towards pupils with special educational needs. Teaching and Teacher Education, 142, 104526, https://doi.org/10.1016/j.tate.2024.104526
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