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Bürokratie bei Neurodiversität: Ihr wisst gar nicht, was ihr uns antut!

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Bürokratie bei Neurodiversität: Ihr wisst gar nicht, was ihr uns antut!

Das Leben mit einem neurodiversen, behinderten oder psychisch erkrankten Kind kostet Kraft. Jede Menge Kraft! Und die Bürokratie macht es nicht leichter – ganz im Gegenteil: Sie macht es noch viel schlimmer. Und auch das Umfeld und die Gesellschaft sind oft unbarmherzig. Ihr wisst gar nicht, was ihr uns Eltern mit eurem Verhalten antut!
Eine Bestandsaufnahme einer erschöpften Mutter. Und was sich Eltern mit besonderen Kindern wirklich wünschen!


Zwischenruf in eigener Sache:

Liebe Leute!
Willkommen am Familienblog "Muttis Nähkästchen"

Birgit und Christine von Muttis Nähkästchen

Für alle, die uns noch nicht kennen: Hier plaudern Birgit und Christine aus dem Nähkästchen und schreiben über das (Über-)Leben mit Kindern.

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Voraussichtliche Lesedauer: 12 Minuten




Neurodiversität, Behinderung oder psychische Erkrankung: Eltern sind gefordert

Egal, ob das Kind neurodivers, behindert oder chronisch körperlich oder psychisch erkrankt ist – wir Eltern sind gefordert. Massiv gefordert! Wir organisieren, wir kümmern uns, wir tun einfach alles. Und vielfach sind wir dabei völlig auf uns alleine gestellt.

Was wir in so einer Situation ganz bestimmt nicht gebrauchen können, ist, dass uns die Bürokratie bei Neurodiversität Prügel zwischen die Beine wirft … Aber der Alltag zeigt uns leider seine fiese Fratze …


Es kommt noch schlimmer: Eltern sind großteils alleine

Da sind zuerst die großen Fragen: Was ist los? Warum ist das so?
Es gibt niemanden, der uns an der Hand nimmt und uns da durch begleitet.

Nach vielen Umwegen gibt es dann eine Diagnose. Bumm. Das müssen alle erstmal verkraften.
Und – guess what – schon wieder stehen wir alleine da.
Alleine beim Verkraften.
Alleine beim Finden der nächsten Anlaufstellen. Wer hilft uns?
Alleine beim Gehen der nächsten Schritte. Welche Therapien machen Sinn? Was ist Humbug?
Und die Bürokratie bei Neurodiversität sucht ihresgeleichen …

Vieles erfahren Eltern nur per Zufall.
Bei vielen Behörden werden wir im Kreis geschickt. Überall Anträge schreiben, immer wieder aufs neue Beweise schicken, dass die offiziell als unheilbar geltende Neurodiversität doch nicht über Nacht plötzlich abgefallen ist. Und ein Jahr später landen wir wieder am Ausgangspunkt. Die ursprünglich sicher nicht zuständige Stelle ist plötzlich doch zuständig. Aber wir haben ein Jahr verloren …

Finanzielle Unterstützung bei Therapien und dergleichen? Fehlanzeige.
Wir Eltern zahlen also fleißig aus eigener Tasche, was international anerkannt ist. Nur hierzulande juckt das niemanden. Wir finanzieren, damit das Kind in Zukunft – Achtung Beamtendeutsch! – „voraussichtlich nicht dauerhaft außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen“.


Bürokratie bei Neurodiversität:
Und dann wiehert der Amtsschimmel …

Warum ist ein zugestandener Grad der Behinderung BEFRISTET?

Und das für ein Syndrom, das hochoffiziell als unheilbar gilt – in unserem Fall Asperger, ein Syndrom aus dem Autismus-Spektrum.

Warum müssen wir die Herausforderungen immer wieder beweisen?

Immer wieder müssen wir unsere ganzen Herausforderungen beweisen – einen Nachweis hier, eine Bestätigung da. Als wäre die Situation nicht schon herausfordernd genug, müssen wir immer wieder in der Wunde bohren und bestätigen und bestätigen, beweisen und beweisen.

Warum ENDEN alle zugestandenen Erleichterungen mit dem 18. Geburtstag AUTOMATISCH?

Als würde mit Erlangung der Volljährigkeit jede Einschränkung und jede zusätzliche Herausforderung automatisch und wie von Zauberhand abfallen … Es war für mich als Mutter schon schwer genug, den Weg zu gehen und für mein Kind einen Behindertenpass zu beantragen. Dann kommt der 18. Geburtstag und plötzlich muss das Kind – ich korrigiere: der junge Erwachsene – selbst das ganze Prozedere wieder von vorne anstoßen. Was glaubt ihr, wie viel Überwindung es kostet, so einen Schritt zu gehen? Es will doch niemand als behindert gelten. Aber ohne Antrag und ohne Behindertenausweis keine Hilfen, keine finanzielle Unterstützung und keine Erleichterungen auf diesem Weg.

Warum endet die etablierte Betreuung mit Erreichen der Volljährigkeit?

Die zahlreichen Herausforderungen haben es mit sich gebracht, dass wir spezialisierte Ärzte/Ärztinnen und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche kennengelernt haben. Aber mit Erreichung der Volljährigkeit sind sie allesamt plötzlich nicht mehr zuständig. In der größten Krise mussten wir uns also erstmal um neue Ärzte/Ärztinnen kümmern, die den Weg mit uns gehen wollen.

Warum gibt es keine Kassenplätze?

Tja, und da telefoniert Mutter sich also fleißig durch das Telefonbuch. Ein Kassenarzt für Psychiatrie? Fehlanzeige! Die Warteliste beträgt 1,5 Jahre! Wir brauchen die Hilfe aber JETZT! Also Wahlarzt/Wahlärzin. Übrigens auch nicht leicht zu finden – wir müssen nehmen, wer sich eine Begleitung unserer speziellen Situation zutraut und in den nächsten Wochen einen Zeitslot für uns übrig hat. Eine Herausforderung! Aber wir haben es geschafft. Und sind nun alle paar Wochen in der Ordination. Das kostet …

Warum werden die Wahlarztkosten nur einmal im Quartal rückerstattet?

Naja, immerhin bekommen wir etwas retour von den Wahlarztkosten. Aber auch erst recht spät zum Quartalsende. Und irgendwie nicht wirklich konsistent – mir kommt vor: je öfter wir die Wahlärztin brauchen, desto weniger bekommen wir.

Bürokratie bei Neurodiversität: Warum schreibt ihr uns Briefe, die wir nicht verstehen?

Nicht falsch verstehen – wir sind NICHT schwer von Begriff. Ich selbst bin eine Schreibende. Ich versuche, Sachverhalte und Geschichten klar zu erzählen. Und hab das auch studiert. Aber euer Beamtendeutsch musste ich viermal lesen (!), ehe ich verstand, ob ihr unser Ansuchen bestätigt oder ablehnt!!!

Ganz ehrlich: da fehlen mir die Worte! Wie geht’s da erst Leuten, die diese Sprache nicht schon mit der Muttermilch aufgesaugt haben?

Warum genehmigt ihr nur das Minimum?

Da steht in einem Ratgeber: Wir müssen hartnäckig bleiben! Immer wieder nachfragen, immer wieder beeinspruchen, wenn unsere Anträge abschlägig beantwortet wurden. Zur Not auch mal klagen.

Ganz ehrlich: Wir haben keine Kraft für solche Spielchen! Der Alltag mit einem besonderen Kind ist Herausforderung genug.

Aber vielleicht ist das alles Kalkül – wenn etwas kompliziert genug ist, dann nehmen es weniger in Anspruch.
Feiner Sozialstaat – am Rücken der Betroffenen.


Und dann kommt die Gesellschaft …

Als wäre die Bürokratie bei Neurodiversität nicht schon genug, kommen dann noch von allen Seiten Tipps und Tricks und Handlungsanleitungen en masse – ungefragt, versteht sich.

Warum glaubt ihr nicht, dass unser Kind anders ist?

Die Behinderung ist bei manchen Menschen im ersten Augenblick erkenntlich. Und bei anderen sieht man sie nicht.
Bei uns ist letzteres der Fall. Darum wird dieser Status auch immer wieder angezweifelt.

Aber wehe, wenn unser Kind mal nicht maskiert (bzw. nicht maskieren kann) und sein neurodiverses Verhalten zeigt! Dann seid ihr komplett vor den Kopf gestoßen und fragt: Warum ist er bloß so?

Ja, eben. Darum.

Warum fragt ihr immer so vorwurfsvoll nach?

Nicht falsch verstehen! Wir freuen uns über eure Anteilnahme.
Aber eure Fragen klingen immer wieder wie Kritik.

Wie? Er tut gar nichts? Was tut er dann? Er sitzt den ganzen Tag daheim und tut nichts? Aber das geht doch nicht! Da muss man doch dieses und jenes … Dieses und jenes ist doch so wichtig! Kann man da nicht mit ihm reden?

Tja. Shit happens. Glaubt mir, uns wär’s auch lieber anders.
Alles probiert, meist auf die Nase gefallen.
Glaubt ihr ernsthaft, wir wären nicht auch schon auf die Idee gekommen, mit dem jungen Erwachsenen zu reden? Wir haben uns den Mund fusselig geredet! Aber Argumente – und seien sie auch noch so schlüssig – fallen nicht auf fruchtbaren Boden. Zumindest im Moment nicht.
Wir können momentan nichts anderes tun, als die Situation auszuhalten und wie ein Fels in der Brandung an der Seite unseres Kindes zu stehen. Das ist vielleicht die schwerste Übung überhaupt – siehe auch: Die wohl größte Herausforderung für Eltern – und wie man sie meistert

Warum gebt ihr uns ständig Ratschläge?

Ja, ich weiß – es ist lieb gemeint. Aber es ist so mühsam, immer wieder die gleiche Leier zu hören. Glaubt ihr denn nicht, dass wir zu jeder Zeit unser Möglichstes getan haben? Dass wir ständig, immer und immer wieder reflektieren, was denn nun das Beste sei.

Darum: Ratschläge sind auch nur Schläge!
Vor allem von Personen, die erstens immer wieder anzweifeln, dass unser Kind anders ist, und zweitens uns nur am Rande kennen und keine Ahnung von den Details haben.

Try walking in my Shoes!


Was wir Eltern uns wirklich wünschen würden

Was wir Eltern uns wirklich wünschen würden? Das ist eigentlich ganz einfach – es sind zwei Dinge:

  1. SEHT UNS in unserer Not! Und macht uns das Leben nicht noch schwerer!
    Schenkt uns lieber Kraft. Nehmt uns manche Dinge ab, die unsere Situation zusätzlich herausfordernd machen. Umarmt uns einfach mal zwischendurch.
  2. EINE Ansprechperson, die an unserer Seite steht und uns durch den ganzen Behörden-Dschungel, die ganze Bürokratie bei Neurodiversität begleitet und leitet. So oft haben wir Dinge nur aus purem Zufall erfahren. Darum wäre eine kompetente Person, die unsere Not sieht und kennt und die die richtigen Connections und Erfahrungswerte hat, einfach befreiend!

DANKE, DANKE, DANKE!


Nehmt es mir nicht übel, aber das musste mal raus …

Eine Mutter eines neurodiversen jungen Erwachsenen


Mehr zum Thema Autismus und Asperger

Wir sind Betroffene.
Vielleicht können andere Betroffene von unseren Erfahrungen profitieren:


Ein paar Hilfsmittel und Lösungsstrategien, die wir uns mit der Zeit zusammengesucht und ausprobiert haben:


Asperger in der Schule





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Birgit

Hier plaudert Birgit, alias Mutti, 40+, seit 2009 aus dem Nähkästchen: Authentizitäts-Freak, selbstbewusst grauhaarig, kreativ angehaucht, völlig unperfekte Mutter. Familienblog aus dem Leben mit zwei Jungs - Mutter allein unter Männern. Mehr über Muttis Nähkästchen: About. Nix verpassen? Folgt mir via Social Media oder Newsletter.
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